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Ein Toast zum Nachdenken: Was wir aus kleinen Alltagsmomenten über Wirklichkeit lernen können

Manche Erkenntnisse kommen nicht in Seminaren oder Büchern, sondern in der Küche, zwischen Toaster und Brotdose. Ein kleiner Disput über das Wort „sofort“ mit meinem Sohn brachte mich zum Nachdenken – über Wahrheiten, Wahrnehmungen und warum wir oft meinen, es müsse nur eine richtige geben.

Wenn Worte wortwörtlich genommen werden

Es ist einer dieser Tage, an denen der Terminkalender eng getaktet ist. Wir haben gleich einen Arzttermin, und ich lege großen Wert darauf, pünktlich zu sein. Mein Sohn (7) ist vorbereitet, Jacke und Schuhe liegen bereit. Ich aber bekomme plötzlich Hunger, stecke mir noch schnell einen Toast in den Toaster und sage nebenbei:

„Wir fahren sofort los.“

„Mama, sofort heißt jetzt! In dieser Sekunde!“, sagt er ernst, mit einer Strenge, die mich rührt – und zugleich unter Druck setzt. „Ja, sofort. Ich muss nur noch meinen Toast essen.“ „Nein! Sofort ist sofort! Nicht gleich, nicht später – sofort!“

Es kommt zu einer kleinen Auseinandersetzung. Er beharrlich, ich relativierend. Schließlich sitzen wir im Auto.


Eine Frau im rosa Mantel und ein Kind im blauen Anorak gehen am Strand Richtung Meer. Der Himmel ist grau, die Szene wirkt ruhig und nachdenklich.
Am Ende zählt nicht, wer recht hat, sondern dass wir zusammen weitergehen.


Im Auto: Ertappt und nachdenklich

Auf der Fahrt schaut er mich an und fragt mit neugierigem, leicht forschendem Ton: „Mama, warum sagt ihr Erwachsenen sofort, wenn ihr gar nicht sofort meint? Ihr meint dann irgendwann – das ist total verwirrend!“

Stille im Auto. Ich fühle mich ertappt. Er hat recht. Und gleichzeitig spüre ich: Ich will mich unbedingt auf eine Wahrheit festlegen – er oder ich. Richtig oder falsch. Aber warum eigentlich?

Wochenlang beschäftigt mich diese Szene.


Exkurs: Modellabhängiger Realismus -

Stephen Hawking und die vielen Wahrheiten


Einige Zeit später stoße ich erneut auf ein Video zu Stephen Hawkings modellabhängigem Realismus – und plötzlich ordnet sich das Puzzle.


Hawking sagt sinngemäß: Es gibt keine absolute, modellunabhängige Realität. Was wir als „wirklich“ bezeichnen, hängt immer vom Modell ab, das wir benutzen, um etwas zu erklären.


Ein Beispiel: Licht. Mal beschreiben wir es als Welle, mal als Teilchen. Zwei widersprüchliche Modelle – beide stimmen.

Ein anderes Beispiel macht das besonders greifbar: Farbenblindheit.

Stell dir zwei Menschen vor, die dieselbe Rose betrachten. Für den einen leuchtet sie tiefrot.

Für den anderen, der eine Rot-Grün-Schwäche hat, wirkt sie eher bräunlich oder grau.

Welche Wahrnehmung ist „richtig“? Beide. Denn beide sehen die Welt durch ihr Modell – ihre Augen, ihre Wahrnehmungssysteme.

Das bedeutet: Wirklichkeit ist nicht eine absolute Größe, sondern entsteht im Zusammenspiel von Beobachtung und Modell.


Und genau so war es auch in der Szene mit meinem Sohn:

  • In seinem Modell bedeutet „sofort“ wortwörtlich jetzt.

  • In meinem Modell bedeutet „sofort“: gleich, sobald ich fertig bin.


Zwei Wahrheiten. Beide gültig.
Holz-Spielsteine mit dem Wort „TRUTH“ (Wahrheit) auf einem weißen Tisch, daneben ein Blumenstrauß.
Wahrheit hat viele Facetten – sie hängt immer vom Blickwinkel und vom Modell ab, durch das wir die Welt betrachten.

Wahrnehmung ist immer Wirklichkeit

Dieses Konzept begegnet mir immer wieder im Coaching-Alltag. Menschen haben dieselbe Situation erlebt – und doch völlig unterschiedlich wahrgenommen. Die Frage „Wer hat recht?“ führt oft in Sackgassen.

Viel spannender ist: Welche Wahrheit zeigt sich in welchem Modell?




Wenn Fragen zu Vorwürfen werden

Beispiel 1: Mutter in der Elternberatung

Eine Mutter erzählte mir von einem Beratungsgespräch. Die Beraterin stellte sachliche Fragen: „Kann Ihr Kind schon schwimmen? Wie viele Stunden sitzt es am Bildschirm? Wie oft spielt es mit anderen Kindern?“

Für die Beraterin vermutlich harmlose Fragen. Für die Mutter aber eine andere Realität: Ihr Herz raste, Scham stieg auf. Ihr Eindruck: „Man hält mich für eine schlechte Mutter.“

War das objektiv gesagt worden? Nein. Wollte die Beraterin das transportieren? Wahrscheinlich nicht. Doch die Wahrnehmung der Mutter war real – genauso real wie die sachliche Absicht der Beraterin, wenn wir ihr etwas Positives unterstellen.

Wie hätte man es auflösen können? Indem die Mutter den Mut gefunden hätte, das Gespräch auf die Metaebene zu heben: „Ich weiß, Sie haben nicht gesagt, dass ich eine schlechte Mutter bin. Aber Ihre Fragen wecken bei mir genau diesen Eindruck. Können Sie mir erklären, wie es gemeint ist?“

Das ist schwer. Es braucht Mut, Übung – und die Bereitschaft, jede Antwort auszuhalten. Aber es hätte sie vor tagelangen Grübelschleifen bewahrt.


Zwei Realitäten in einem Raum

Beispiel 2: Klient im Teamgespräch

Ein Klient berichtete mir von einem Feedbackgespräch mit seinem Vorgesetzten. Auf der Sachebene: sachlich, konstruktiv, „ein paar Verbesserungspunkte“.


Doch der Klient, mit seiner feinen Wahrnehmung, nahm eine andere Ebene wahr: Körperspannung, Mimik, der Tonfall. Für ihn ergab sich: „Mein Chef wertschätzt mich nicht. Er kritisiert nicht nur die Arbeit, er kritisiert mich.“


War das Einbildung? War er zu sensibel? Nein. Seine Wahrnehmung ist genauso korrekt wie die Sicht des Chefs, wenn dieser sagt: „Ich habe nur sachlich Kritik geäußert.“


Auch hier hätte die Metaebene geholfen:

„Ich höre Ihre sachliche Kritik. Gleichzeitig nehme ich eine Stimmung wahr, die sich für mich abwertend anfühlt. Können Sie mir erklären, wie das gemeint ist?“

Damit wären beide Realitäten sichtbar geworden – und beide hätten die Chance gehabt, einander besser zu verstehen.


Meine Arbeit: Wahrnehmung validieren, Klarheit schaffen

Immer wieder begegnen mir Menschen, die ihrer eigenen Wahrnehmung misstrauen. Sie spüren etwas, das nicht zu dem passt, was gesagt wird – und geraten in Grübelschleifen. Sie suchen nach der einen, absoluten Wahrheit, die es gar nicht geben kann, und bleiben in dieser Ohnmacht stecken.

Genau hier setzt Coaching an:

  • Wir analysieren gemeinsam die Situation.

  • Wir entlarven Denkfehler.

  • Wir trainieren, die eigene Wahrnehmung als gültig und korrekt anzuerkennen.

Denn erst wenn dieser Schritt gelingt, entsteht die Basis für Klarheit, Selbstwirksamkeit und erfolgreiche Zusammenarbeit mit anderen.


Offenes Notizbuch mit kalligrafischem Spruch „We create our reality from our daily choices. The world consists of billions of realities.“ Daneben Zeichenstifte und eine Postkarte mit Pflanzenmotiv.
Wirklichkeit ist kein Fixpunkt, sondern eine Einladung zum Perspektivwechsel.

Was ich von einem Toast gelernt habe

Für mich hat die Szene mit meinem Sohn gezeigt: Es geht nicht darum, wer recht hat. Es geht darum, zu verstehen, was der andere meint – und meine Perspektive dadurch zu erweitern.

Das macht neugierig, toleranter und verbindet uns stärker miteinander.


Was man daraus noch lernen kann:

  • Sprache ist nie eindeutig. Sie lebt vom Kontext.

  • Wahrnehmung ist subjektiv – und gerade deshalb real.

  • Auf die Metaebene zu gehen ist unbequem, aber der Schlüssel zu Klarheit.

  • Wer bereit ist, andere Modelle ernst zu nehmen, erweitert nicht nur das eigene Verständnis, sondern auch die Verbindung zum Gegenüber.


Und vielleicht bedeutet „sofort“ beim nächsten Mal einfach: „Erklär mir, wie du es meinst.“

Zwei geröstete Toastscheiben auf einem weißen Teller, von oben fotografiert.
Dieser Toast war schneller fertig als meine Definition von ‚sofort‘.


👉 Frage an dich: Wann hast du zuletzt erlebt, dass zwei Menschen dieselbe Situation völlig unterschiedlich wahrgenommen haben – und beide trotzdem recht hatten?


👉 Mein Angebot: Wenn du merkst, dass du deiner Wahrnehmung misstraust, dich in Grübelschleifen verlierst oder das Gefühl hast, dass deine Realität nicht zählt – lass uns sprechen. Im Coaching findest du Klarheit, Vertrauen in dich selbst und neue Handlungsmöglichkeiten.


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